Nach zwei Jahren Videokonferenzen, Online-Meetings und digitalem Webkuscheln

  • was darf bleiben, was muss sich ändern

Seit fast zwei Jahren schlagen wir uns mit Videokonferenzen herum: Die Körpersprache unseres Gesprächspartners ist nur bis zum zweiten Hemdknopf oder noch schlimmer bis zum ondulierten Brusthaaransatz zu sehen, die Augen auf dem Monitor starren konzentriert an uns vorbei, Nasenlochperspektive schmückt den halben Bildausschnitt und die Stimme, die aus unserem Laptoplautsprecher tönt, klingt wie „Wall-E, der letzte räumt die Erde auf“ oder für ältere Generationen wie mich: Nummer 5 lebt. Es hat sich eine Hassliebe zu Online Meetings entwickelt. Einerseits spart sie uns enorm Zeit und damit Geld, andererseits fehlt uns das in die Augen blicken, das auf die Schulter klopfen, das gemeinsame Lachen, bei dem nicht immer nur das Lachen dessen gehört wird, dessen Mikro gerade eingeschaltet ist.

Was ich seit Beginn der Pandemie in meinen über 900 zweistündigen Schulungen für das Auftreten vor der Webcam gesehen habe, erquickte nicht immer mein wirkungsaffines Auge. Inhalt des Trainings ist nicht nur die richtige Position der Kamera und des Lichts, sondern auch welche nonverbalen Signale durch nur einen halben Körper gesendet werden. Und ich bin frustriert und beseelt zugleich. Einerseits freue ich mich über jeden einzelnen Teilnehmenden, weil ich so mithelfen kann, die Welt vor der Kamera ein wenig schöner zu gestalten und Menschen die Möglichkeit gebe, sich als Weizen von der Spreu zu trennen, andererseits sehe ich noch immer viel zu viele Führungskräftenasenlöcher und halbe oder zu dunkle Vertrieblerköpfe. Als Schauspielerin und Filmproduzentin weiß ich, wie verschiedene Wirkungen am Bildschirm entstehen und welche Stellschrauben man drehen muss, um genau die Wirkung zu erzielen, die erreicht werden soll. Meine Mission: Sie sollen nach dem Artikel wissen, welche Stellschrauben Sie vor der Kamera sympathisch und kompetent wirken lassen.

Die unterschiedlichen Erscheinungen in Online-Bilderkacheln.

Die „Hören Sie mich“- Schreier*innen

Man erkennt sie daran, dass sie, kurz nachdem die Kamera angeht, ihre Augen konzentriert mit senkrechter Denkesfalte auf der Stirn hektisch auf dem Monitor hin- und her huschen lassen und verzweifelt rufen: „Hören Sie mich?“

Besser: Ein freundliches Lächeln, sobald Sie die Kamera einschalten. Die homöopathisch winzigen Technikhürden werden dann en passant gelöst.

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Die Tonlosen

Sie wollen uns zu Lippenlesern erziehen. Sie sprechen einfach darauf los, auch wenn sie gemutet sind.

Besser: Eine Routine entwickeln, den Mikrobutton zu drücken. Bei manchen Computern geht das sogar per Tastaturklick und nicht nur mit der Maus.

Die Schattenspieler*innen

Sie setzen sich vor das Fenster, so dass man nur einen Kopfumriss um einen komplett schwarzen Kopf im Dunkeln sieht. Also nichts. Es erinnert mich immer an diesen fiesen Magier mit der Maske, der die Tricks der anderen Magier verraten hat.

Besser: Ein LED Panel von schräg vorne oben auf der dunkleren Seite angebracht, erhellt Ihr Antlitz in wunderschönem Maße.

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Die In-den-Monitor-Kriecher*innen

Es gibt zwei Typen von Kriechern. Die einen kommen jedes Mal näher, wenn sie sprechen, weil sie denken, wenn sie näher ans Mikro kriechen, werden sie besser verstanden. Nein, werden sie nicht, sie wirken nur bedrohlicher. Der andere Typ Kriecher kommt näher, wenn er etwas am Monitor sucht oder liest. Gleiche fast schon angsteinflößende Wirkung.

Besser: Vertrauen Sie auf das Mikrofon, es nimmt Sie auf, auch wenn Sie gerade sitzen. Die beste Position ist immer noch, bis zum ca. dritten Hemdknopf zurück zu rutschen oder bis auf Höhe der Brustwarzen. Ja, das kann man sich wenigstens gut merken. Diese Postion ist ideal, um einen guten ersten Eindruck zu machen. Jetzt noch die Arme so auf den Tisch legen, dass ein wenig Luft zwischen Ihren Armen und dem Oberkörper ist, dann wirken Sie grandios präsent.

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Grashüpfer*innen

Die lustigen Gesellen, die jedes Online Meeting mit noch lustigeren virtuellen Hintergründen bereichern.

Besser: Wenn schon kreativ, dann bitte richtig und eigene Hintergründe erstellen. Bitte hier niemals eine Zimmerdecke im Hintergrund abbilden, das macht die mühevoll eingerichtete Kameraposition kaputt.

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Die Gourmets

Leicht erkennbar an hohen Amplitudenbewegungen des Kiefers. Ich persönlich kann da nicht hinschauen, weil ich entweder selber Hunger bekomme oder mir je nach Attraktivität des Kauens übel wird.

Besser: Nicht essen oder sich gemeinsam zum Essen verabreden.

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Die WGler*innen

Leicht zu erkennen an dem virtuellen Hintergrund, der das gleiche Zimmer mit Pflanze bzw Zimmerdecke zeigt, wie 30 % der anderen Kacheln im Meeting. Sprüche wie „Wohnt ihr zusammen?“ oder „Guck mal, die WGler“ schaffen es mittlerweile nur noch bemüht ein schmetterlingszartes aber gequältes Lächeln auf die Lippen aller anderer zu tackern.

Besser: Ich finde, Weichzeichner geht noch gerade so als Hintergrund durch. Wobei ich den auch nicht besonders hübsch finde. Und auf völliges Unverständnis stößt bei mir, wenn jemand, der vor einer kahlen Wand sitzt, den Weichzeichner einschaltet. Warum? Ohren und Frisur verschwinden. Das muss man wollen.

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Die Brillenstrahler*innen

Sie haben tolles Licht aufgebaut und geben den Blick auch mal in die Kamera. Aber leider sieht man den nicht, weil das Licht falsch steht, so dass man zwar strahlen sieht, aber nicht der Augen sondern die Spiegelung der Lampe.

Besser: Die Lampe höher und leicht seitlich positionieren und eine gerade Haltung vor der Kamera einnehmen.

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Die Callcentermitarbeiter*innen

„Willkommen auf unserem Flug nach Palma de Mallorca“. Headsets können Segelohren verdecken, einem das Gefühl vermitteln, man wäre ganz intim mit dem Videocallpartner und sie machen manchmal einen ganz vernünftigen Ton (außer die hörbaren Schmatz- und Atemgeräusche). Die Assoziation mit „Pilot“ ist für Fernwehende eigentlich ja gar nicht so unangenehm. Aber es gibt noch eine viel schwerwiegendere Assoziation, die jedem, der ein Headset benutzt und auf Augenhöhe mit dem Gesprächspartner sprechen will, zu denken geben sollte: Der Callcenter-Effekt „Herzlich willkommen bei Mc Donalds, Ihre Bestellung bitte“

Besser: Ein externes Mikrofon lässt die Stimme warm und nah klingen. Ein Tischmikrofon bekommt in meinen Trainings beim individuellem Toncheck immer ganz gutes Feedback, aber im Durchschnitt auch nur eine 8-9 und keine 10 von 10 Punkten. Immerhin. Alle anderen bekommen zwischen 3 und 8 von 10. Alles unter einer 8 ist für ein professionelles Auftreten vor der Webcam ein No Go.

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Die Erleuchteten

Im Fachjargon beim Film nannten das meine Kameraleute immer:„ausgebrannt“. Es wirkt, alles sei das Gesicht an den grell erleuchteten Stellen von tausenden von spiegelnden Pigmenten überzogen.

Besser: Kein direktes Sonnenlicht. Den Abstand der Lichtquelle zum Gesicht vergrößern.

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Die Kleinkinder

Ein Kopf am unteren Bildrand in der Kachel lässt vermuten, dass hier der erwünschte Teilnehmer sein könnte. Es könnte sich aber auch um ein Kind handeln, weil es eben nicht größer wirkt als ein Kleinkind.

Besser: Oberhalb des Kopfes sollte maximal eine Handbreit Platz sein. Falsch gedacht ist, sich mit dem Kopf in die Bildmitte zu setzen. Dabei wird wertvolle Körpersprache verschenkt.

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Die Nasenprofile

Mit zwei Monitoren zu arbeiten und eine Videokonferenz abzuhalten, ist schon ein Genuss. Allerdings nicht für den Zuschauer, denn der hat lediglich Sicht auf das Nasenprofil des anderen. Null Blickkontakt, nicht mal annähernd. Das wirkt psychologisch betrachtet auf uns wie Ablehnung: „Der/die schaut mich ja gar nicht an, der/die interessiert sich nicht für mich oder das, was ich sage.“

Besser: Wenn Sie mit zwei Monitoren arbeiten, geben Sie bewusst den Blick in die Kamera, sobald Sie mit dem anderen sprechen. Wenn Sie gerade beide auf die Präsentation blicken, weiß der andere ja ohnehin, wo Sie hinschauen. Ich lasse das in meinen Seminaren genau so üben. Das ist ein großer Aha-Effekt.

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Die Heimlich-bei-Amazon-Besteller 

Es könnten auch die Heimlich-E-Mail-Leser sein. Man erkennt sie ganz leicht daran, dass ihr Blick zwar in Richtung Monitor gerichtet ist, aber keine mimische Reaktion zeigt, egal, was gerade passiert.

Besser: Sie werden IMMER gesehen, wenn die Kamera an ist. Auch wenn Sie sich unbeobachtet fühlen, Sie werden gesehen. Und was machen Sie selbst am häufigsten in langweiligen Meetings? Sie schauen sich die anderen Kacheln an. Ich mach sogar manchmal heimlich eine Kachel größer und versuche Gedanken zu lesen. Seien Sie sich immer bewusst, dass Sie gesehen werden. Kamera an ist Bühne.

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Kurz und knapp für Eilige:

  1. Augenhöhe ist für einige ein frei interpretierbarer Begriff. Augenhöhe ist erreicht, wenn die Linse auf einer horizontalten Linie mit den Augen ist. Je nach Kamera und Abstand vom Laptop kann das auch ein wenig unterhalb der Augenhöhe sein.
  2. Aus meiner 30 Jahre Erfahrung als Schauspielerin vor der Kamera und Regisseurin hinter der Kamera: Gerade Linien hinter Ihnen sind die beste Referenz, damit der Gesprächspartner das Gefühl hat, Sie sitzen ihm gegenüber am Tisch. Wie genau Sie die Linien so hinbekommen, dass sie gerade sind, erkläre ich Ihnen oder Ihrem Team gerne in einer intensiven Schulung mit erquickendem Teambuildingeffekt.
  3. Gutes Auftreten vor der Kamera kann über Zuschlag oder Ablehnung entscheiden. Ich konnte mich neulich zwischen zwei Verhandlungspartnern entscheiden, wem ich den schlag für eine Kooperation geben soll. Der eine hatte sich hochprofessionell vor der Kamera präsentiert. Ein zweiter, der auch gerne die Kooperation mit mir eingegangen wäre, versank zurückgelehnt in seinem Bürostuhl, viel zu dunkel und der Ton ließ mir nicht gerade Einhorntränen vor Glück aus den Ohren laufen. Ich gab natürlich dem ersten den Zuschlag.

Vom Profi zum Profi Gold-Edition

Wenn Sie so gar keine Idee haben, wie Sie Ihren Kollegen ein professionelles Auftreten vor der Webcam vermitteln können, sagen Sie: „Wir sind schon ziemlich gut mit unserem Auftreten vor der Kamera. Ich möchte aber, dass wir die Besten werden. Deswegen habe ich die Beste für uns gefunden. Wir sind analog Profis auf unserem Gebiet, also lasst uns auch online Profis werden. Nach dem Training werden wir mit dem Medium Kamera genau so großartig umgehen, wie bei unserer analogen Präsenz.“

Ich wünsche Ihnen eine gute analoge und digitale Zeit und schauen Sie gerne auf meinem Youtubekanal vorbei oder auf meiner Webseite.

Ein Onlinekurs mit persönlichem Einzelcoaching zum digitalen Auftreten gibt es natürlich auch: Online präsentieren wie die Profis

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Ihre Yvonne de Bark