Souveräner Auftritt trotz Lampenfieber

Lampenfieber – Tumbleweeds im Kopf

Dieses Kribbeln im Bauch, das man nie mehr vergisst, wie wenn man zuviel Brausestäbchen ist… na ja, das kennst du doch auch. Weiche Knie, Schweißausbrüche, kurz bevor man auf die Bühne geht und am liebsten würde man jetzt in ein Loch springen, das sich vor einem auftut und im Boden versinken. Auf jeden Fall NICHT auf die Bühne gehen, das ist das Schlimmste, was man sich jetzt vorstellen kann. Lampenfieber. Ich bin Yvonne de Bark, Schauspielerin und Wirkungsexpertin im Bereich Körpersprache, Auftreten und Charisma. Ich helfe dir so zu wirken, wie du wirken willst. In jedem Moment und in jeder Situation. Vor einigen Wochen sollte ich einen Körpersprachevortrag vor 500 Frauen beim Feminess Kongress halten. Die Sekunde davor, als ich von der Bühne aus angekündigt wurde bin ich gestorben. Tumbleweeds im Kopf. Und die gingen nicht weg, als ich die Bühne betrat. Wie ich das Problem erfolgreich gelöst habe, erzähle ich dir gleich. 

Zu mir als Präsentationscoach kommen Leute, die fragen: „Was soll ich tun, ich habe so Lampenfieber! Ich habe einfach Angst, vor Leuten zu sprechen!“

Das kenn ich. Das kenn ich nur allzu gut.

Es ist aber auch eine blöde Situation. Da hat man sich tagelang vielleicht wochenlang vorbereitet auf diesen einen Moment – je nachdem, wie wichtig einem die Präsentation ist. Vielleicht ist gerade dieser Termin karriereentscheidend, ein Vorstellungsgespräch, eine wichtige Verhandlung, eine mündliche Prüfung. Und da möchte man hundert Prozent abliefern. 

So ging es mit auch mit meinem Vortrag. Ich wollte, dass alles perfekt funktioniert. Die Frauen, die im Publikum sitzen würden, habe schon einiges an Rednern gesehen. Nur mich eben noch nicht. Im Vorgespräch hieß es: „Yvonne, die hast einen Slot (Zeitrahmen) von 20 Minuten. Bitte überzieh nicht, sonst kommen wir mit dem Programm durcheinander.“ 20 Minuten ist tausendmal schlimmer als 30 oder 45 Minuten. Warum? Weil du deinen ganzen Inhalt auf 20 winzige Minuten quetschen musst und die Leute dennoch nicht überladen darfst. Da muss jede Minute geplant sein. Sollte. Das war zumindest der Plan, auch für mich. Alle wichtigen Tipps zum Thema Körpersprache, Auftreten und Charisma sollten in einem attraktiven Blumenbouquet präsentiert werden. 

Den Abend vorher lag ich im Bett, hab an die Decke gestarrt und ging den Vortrag in Gedanken durch. Hab ich alles? Hab ich alles Material? Ich arbeite ja nur mit Flipchart. Ich mag keine Powerpointpräsentation. Ich finde Flipchart viel kuscheliger und es menschelt mehr. Ich renne also zu jedem Vortag und Seminar mit meinen riesigen Rollen vorbereiteten Flipchartpapiers. Im Zug, im Flugzeug, überall.  Plötzlich sprang ich auf, stelle mein iPad auf und hielt den Anfang des Vortrags vor meinem Bett. Ich musste wissen, wie er wirkt. Ungefähr sieben Mal habe ich ihn gehalten, aufgenommen und angeschaut. Im Nachthemd. 

Dann habe ich den Schluss vorgetragen und aufgezeichnet. Daran bin ich fast verzweifelt. Ich wollte, dass er sitzt und ich wusste nicht, ob er funktioniert. Ich benutze für meine Vorträge ausschließlich wahre Geschichten, und diese hatte ich noch nie jemandem erzählt. Also wusste ich nicht, wie die Leute reagieren würden. 

Danach habe ich gestoppt, wie lange die einzelnen Module im Körpersprachevortrag in Anspruch nehmen. Damit ich sie gegebenenfalls in der Reihenfolge schieben kann und immer gleich weiß, wie viel Zeit sie brauchen. Einmal noch Generalprobe. Und dann ist das Schreckliche passiert. Die Generalprobe war super. In der Schauspielerei gibt es einen Aberglauben, der besagt: wenn die Generalprobe gut klappt, wird die Premiere eine Katastrophe. Die Generalprobe muss also daneben gehen. Na ja, vielleicht kann man es sich in meinem Fall so hinmogeln, dass eine Generalprobe im Nachthemd keine richtige Generalprobe ist. Das war mir aber nicht save genug. Also habe ich den Vortrag mitten in der Nacht so oft gemacht, bis er vorne und hinten nicht mehr funktioniert hat. Dann war ich zufrieden. 

Am Vortragstag habe ich mich vor dem Auftritt mit dem Publikum vorher vertraut gemacht, habe mit vielen Frauen geplaudert. Das hilft meinem Steinzeitgehirn, das vor lauter Lampenfieber auf Flucht, Kampf oder Totstellen programmiert ist immer sehr, wenn ich ob dem Auftritt sicher gehe, dass mich niemand fressen wird. 

Souveräner Auftritt trotz Lampenfieber

Ich fühlte mich also bis wenige Minuten vor dem Auftritt echt gut. Hinter der Bühne dann, ist es passiert. Die Moderatorin betrat die Bühne und begann mich anzukündigen. In diesem Moment schaltete mein Gehirn völlig ab. Mein Trailer lief auf der großen Leinwand, die Moderatorin rief „begrüßt mit mir YVONNE DE BAAAAAARK!“ Ich lief los. Zum Glück in die richtige Richtung, auf die Bühne. Aber im Moment als ich den Bühneboden unter meinen Schritten klackern hörte, hatte ich nur noch Tumbleweeds im Kopf. Das sind diese runden, vertrockneten Pflanzenbälle, die in Western vom Wind über die verlassenen Straßen geweht werden. Und genau das war in meinem Kopf. Wenn mich in dieser Sekunde jemand gefragt hätte, wie ich heiße, hätte er in ein völlig debiles Gesicht geblickt. Ich wusste nicht mehr, was ich hier soll oder warum ich hier bin. Hunderte Augenpaare starren mich erwartungsvoll an. Aber gut, die Moderatorin hat mich gerufen, dann geh ich mal auf sie zu. Wenn ihr den Vortrag seht, könnt ihr als nun Wissende meine Irritation erkennen, denn sie kam plötzlich auf mich zu. Da war mir klar: Ok, jetzt bin ich alleine auf der Bühne. Weiterhin diese Tumbleweeds im Kopf. Völlige Leere und Tumbleweeds. Und ein leises Tschiep tschiep tschiep, mehr nicht. Es war furchtbar. Ich bin zu dem Teppich in der Mitte der Bühne gegangen, da stand mein Flipchart. Das kam mir irgendwie bekannt vor, da stand drauf „Körpersprache nutzen“. There rings a bell. Da war doch was. 

Du magst jetzt vielleicht denken, ich übertreibe oder mache Witze. Aber in dem Moment, wo das Lampenfieber volle Kanne zuschlägt, ist nichts mehr zu machen. Totaler Blackout. Ich stand also da vor den erwartungsvoll auf mich gerichteten  Augen und Ohren und machte das einzige, was in dieser Situation außer in Ohnmacht fallen hilft. Ich öffnete die Schublade mit meinem eingeübten Anfang,  die ich durch das viele Üben im Gehirn da versteckt habe, wo das Lampenfieber nicht hinkommt. So habe ich mir ein Sicherheitsnetz gewebt, auf das ich mich auch unter höchster Tumbleweedverwehung verlassen kann. Ich beginne den Vortag mit zweimal dem gleichen Satz, den ich aber mit unterschiedlicher Körpersprache vorführe. Das klappt normalerweise prima. Aber in diesem Fall sagte ich den Satz „Ich mag dich“ mit einer liebevollen Körpersprache zu einer Dame aus dem Publikum. Plötzlich rief sie: „Ich dich auch!“ Eigentlich würde mein Vortrag danach weitergehen, indem ich den Satz nochmal in weniger liebevoller Körpersprache sage, aber das Publikum war bereits so am Lachen, dass ich mich nur noch auf die Welle schwingen musste, um mich vom Publikum durch den Vortrag tragen zu lassen. Die zwanzig geplanten Minuten wurde dann 35. 

Meine Tipps, falls dich das Lampenfieber lähmt:

  1. Lerne Anfang und Ende auswendig. Das, was dazwischen kommt, läuft dann schon.
  2. Nimm dich vorher auf Video auf, damit du vielleicht noch an einem Schräubchen drehen kannst, falls dir zum Beispiel deine Handhaltung nicht gefällt. Du zu viel zappelst oder dir sonstwas nicht rund genug läuft. Ich mache das professionell mit meinem Videofeedbacks. Im Seminar nehme ich die Teilnehmer auf und wir besprechen die Körpersprache dann individuell in Einzelgesprächen via Videokonferenz. Wenn du sich selber mal siehst, wie du wirkst, lernst du viel über dich. 
  3. Stoppe deinen Vortrag oder deine Präsentation etappenweise durch. So bekommst du enorme Sicherheit über die einzelnen Abschnitte und weißt immer, ob du in der Zeit richtig bist. Mach dir gedanklich Marker, bei denen du checken kannst, ob du hinterher oder vorneweg bist. Zum Beispiel hast du die Einleitung, die bei Minute 5 erledigt sein sollte, dann bei Minute 10 sollten der nächste Abschnitt fertig sein usw. 

Und jetzt viel Spaß beim erfolgreichen Kampf gegen Tumbleweeds im Kopf.

Deine Yvonne