So vergisst du nie wieder etwas - der Fenster-Effekt Blog von Yvonne de Bark

Nie mehr vergessen

Was wollt ich doch gleich? Kennst du das, du stehst vor deinem geöffneten Kühlschrank, die kalte Luft kriecht an deiner Wange hoch und du hast KEINE Ahnung, was du gerade holen wolltest. Eben wusstest du es noch. Eben als du im Wohnzimmer warst, wusstest du, dass du unbedingt… oh, Mann! Vergessen. Es ist weg. Ich habe da mal eine Frage an dich: War vielleicht eine Tür mit im Spiel? Das könnte der Grund sein. Diesen „Was wollt’ ich nochmal“-Effekt nennt der Psychologieprofessor Gabriel Radvansky den Tür-Effekt. Bei seiner Studie mussten die Probanden sechs Klötze in eine Kiste legen und die Kiste dann auf einen anderen Tisch stellen. Danach sollten sie aus dem Gedächtnis am Computer die Konfigurationen erkennen, die sie selbst zuvor gebildet hatten. Ein Teil der Probanden musste allerdings durch eine Türe gehen, um zu dem anderen Tisch zu kommen. Diese hatten ein schlechteres Ergebnis in dem Test als die ohne Tür.
Radvansky schloss daraus, dass unser Gehirn, wenn wir durch eine Tür gehen, einen Haken macht. Ich nahm an, dass die visuellen, auditiven und olfaktorischen Reize – ach, was sag ich: ALLE neuen Sinnesreize des neuen Raumes plötzlich die eben noch für wichtig gehaltene Information einfach löschen oder überschreiben.  Dem ist aber laut Radvansky nicht so. Er hatte genau den gleichen Verdacht wie ich und hat die Probanden durch mehrere Räume wieder in den ursprünglichen Raum gehen lassen. Trotz bekannten Raumes war das Ergebnis schlechter als bei denen, die keine Tür überschritten hatten. Und jetzt kommt’s: Die Türschwelle muss nicht einmal real im echten Leben überschritten werden. Er machte einen dritten Versuch bei dem er die Probanden das Experiment nur virtuell in einer Computersimulation durchführen lies. Auch hier: Schlechtes Ergebnis für die virtuellen Türüberschreiter.
Schön, dass wir es nun wissen, aber dieser Tür-Effekt nervt. Er raubt mir Effizienz in meiner Arbeit. Ich mag einfach nicht minutenlang irgendwo stehen und nicht wissen, was ich wollte. Zumal ich dann immer das Gefühl habe, ich werde alt. Und weißt du, was noch schlimmer ist? Bei mir macht dieser „Was wollte ich doch gleich“-Effekt nicht vor einem offenen Kühlschrank Halt und auch nicht vor dem Badezimmer, in dem ich plötzlich stehe und verwirrt die Fliesen anstarre. Er frisst sich sogar an meinen Schreibtisch, wenn ich konzentriert arbeiten will. Da muss ich mich nicht mal von irgendeinem Raum in den anderen bewegen. Ich sitze einfach nur da  und vergesse, was ich gerade tun wollte. Ich nenne es hier nicht den Tür-Effekt, ich nenne es den Fenster-Effekt. Fenster weggeklickt oder aus dem Sichtfeld und schon gleitet das, was du gerne in dem Zusammenhang tun wolltest ins Nirvana des Vergessens. Dieses Fenster schließen oder aus dem Sichtfeld klicken scheint genau so einen Haken in unserem Gehirn zu machen, wie wenn wir eine Türschwelle überschreiten.
Ein Beispiel: Ich sitze an einem Artikel über Körpersprache der Politiker und rechs oben schiebt sich ein Fensterchen ins Blickfeld, dass endlich die Mail für das Coachinggespräch via Videokonferenz ankündigt, das wir unbedingt noch diese Woche durchführen müssen. Das ist wichtig, aber in diesem Moment muss ich noch den Artikel beenden. Ich schreibe also konzentriert weiter. Danach erledige ich die auf meinem Schreibtisch liegenden Bestellungen meines neuen Buches, in die ich Widmungen schreibe, dann muss ich auch schon Mittagessen machen, dann fahre ich zum Kameracoaching für einen Imagefilm bis 17 Uhr und abends gegen 19 Uhr dann lese ich erschrocken in meinen Mails, dass der Kunde das Coaching gerne heute gegen 18 Uhr hätte haben wollen, weil es anders bei ihm nicht ginge.

Vergessen ist total doof.

Und es kann mitunter sogar wirtschaftlichen Schaden nach sich ziehen.
Ich habe eine Lösung für mich gefunden. Es ist ein Tipp, der bei Unaufmerksamkeitsblindheit angewendet werden kann. Wenn du zum Beispiel an einer Kreuzung stehst und siehst einen Motorradfahrer gegenüber. Eine Studie hat ergeben, dass die meisten den Motorradfahrer zwar wahrnehmen aber vergessen, dass er da ist, sobald er aus dem Focus der Konzentration ist (wie z.B. der hoffnungsvolle Blick auf die bald umschaltende Ampel). Die Lösung liegt in der Aktivierung eines weiteren Sinneskanals. Die Probanden, die „Motorradfahrer“ laut ausgesprochen hatten, waren sich dessen gewahr, dass er dort stand und gaben beim Losfahren besser Acht. Sie haben also einen weiteren Sinneskanal, in diesem Fall den auditiven, bewusst durch das Sprechen aktiviert und somit die Wahrnehmung ins Gehirn betoniert. Ich vermute, dass das Aussprechen aber ebenfalls eine entscheidende Rolle spielt. Das Aktivierungpotenzial des Sprechens muss erst erreicht sein, damit das Gehirn Sprache formulieren kann, die Mundwerkzeuge aktivieren und die Stimmbänder ins Schwingen bringen kann.
Ich habe diese Lösung des Aussprechens für mein Fensterproblem am Computer versucht sowie auch für aufploppende Whatsapps und siehe da: Es war äußerst erfolgreich! Sprich laut aus, was du siehst. Aber sag nicht, was du tun willst. Das Gehirn liebt unvollständige Vorgänge, weil es dann immer darauf herumdenken kann und dich nicht mehr loslässt bis es erledigt ist. Und jetzt kommt’s: Das Aussprechen hat noch einen immensen Vorteil. Forscher wollen herausgefunden haben, dass Menschen, die Selbstgespräche führen intelligenter sind bzw. ihre Intelligenz fördern.
 Und jetzt entschuldige mich, ich hab noch ein wichtiges Gespräch mit mir.
Deine Yvonne

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