Triell, wer hat jetzt gewonnen?

 

Das Gute vorweg: Wir haben hier sehr lernwillige Kandidat*innen.
Es mutet fast schon an, als hätten die Kandidaten alle Analysen (vor allem die das nonverbale Auftreten betreffen) inhaliert.

Olaf Scholz wirkte lebendiger, denn er bewegte sich. Frau Baerbock hielt die Körpermitte Richtung Moderatoren gewandt, anstatt sie immer wieder ihren Mitbewerbern zuzuwenden. Herr Laschet lümmelte nicht auf dem Pult herum und wirkt in der zweiten Hälfte (nachdem er seine Angriffslust heruntergeschraubt hatte) ruhiger.

Meine Eindrücke vom Triell im Bezug auf die Wirkung verschiedener Verhaltensweisen:

Anfangs wirkt Scholz angespannt. Er legt einmal die rechte Hand auf das Pult, dann die linke, dann wechselt er wieder. Laschet wirkt selbstsicher. Baerbock wirkt zwar auch selbstsicher, aber sie übertreibt mit ihrem breiten Stand in den hohen Schuhen. Das wirkt so, als müsse sie sich Raum nehmen, um diese Selbstsicherheit zu bekommen. Ein zu breiter Stand wirkt allerdings auf unser Unterbewusstsein fast schon übergriffig. Würden Sie – liebe Leser*innen – daneben stehen, hätten Sie das Gefühl, sie dringt mit ihren Fußspitzen in Ihr Territorium ein. Baerbock steht immer so breit und neulich habe ich sie auch so in einem Interview sitzen sehen.

Die Farbwahl der Kleidung:
Baerbocks Farbwahl so gediegen es eben geht für eine Frau, wenn sie kein Braun oder Schwarz tragen will.
Laschet in einem in dieser dunklen Runde fast schon frischem Blau.
Scholz seriös in einem dunklen Blau mit gleicher Krawattenfarbe (weinrot?) wie Herr Laschet.
Ich nehme an, eine rote Krawatte traut sich seit Trump keiner mehr zu tragen.

Auffälligkeiten:

Olaf Scholzs Blinzelrate ist anfangs enorm. Das wirkt zu den wechselnden Händen auch nochmal nervös.

Armin Laschets Zeigefinger und der fast ständig über den Brillenrand gehende Blick, wirkt lehrerhaft.

Laschet greift Scholz nicht nur einmal an. Scholz lässt den längsten dieser Angriffe stoisch und Laschet zugewandt über sich ergehen.

Ich hätte einen Tipp für alle, die während eines Angriffs souverän wirken wollen:

Denken Sie sich ein inneres Lächeln und denken Sie sich an den anderen gerichtet „Ach, du Armer“. Das verleiht Ihnen sofort eine überlegene, aber freundliche Ausstrahlung.

Als Scholz dann beginnt, sich zu rechtfertigen, legen seine Ohren an Farbe zu. Alle waren so sehr geschminkt, dass man kaum eine Gesichtsfarbe erkennen konnte, aber die Ohren waren wohl mit Make-up ausgelassen worden. Rot zu werden heißt nicht unbedingt nervös zu sein. Es kann auch bedeuten, dass der Körper besonders engagiert ist in diesem Moment.

Baerbocks bester Kniff war, dass sie den Zuschauer direkt angeblickt hat, als es um die Impfpflicht ging. Sekundenlang nahm sie den Blickkontakt durch die Kamera auf. Augenkontakt – selbst durch die Kamera – ist ein starker sozialer Klebstoff. Sehr geschickt.

Herr Laschet verwehrt dem Zuschauer hingegen sogar den Blick auf seine Augen, in dem der obere Brillenrand ständig den freien Blick auf seine Pupillen verwehrt. Wir brauchen aber den Blickkontakt, um Vertrauen herstellen zu können. Seine Abschlussrede fand ich großartig.

Fazit:
Ein Triell, das nach wenigen Minuten in eine fachliche Schlacht abdriftet, bei dem die ersten Zuschauer beginnen die Katze vor dem Sofa zu shampoonieren, ist schwierig, wenn man die Wahlkreuzchen der Bürger*innen gewinnen will.
So bleibt uns nur unsere Wahrnehmung der nonverbalen Signale. Wer wirkt kompetent, wer wirkt sympathisch, wer kann Kanzler*in?
Ich bin ehrlich, ich hatte nach 45 Minuten Triell schwere Augenlider. Ich wollte nichts von Parteimitgliedern hören, die da eigentlich nicht hingehören, ich wollte nicht zu hundertsten Mal hören, dass wir kein „weiter so“ brauchen und ich wollte auch keine gleichzeitig sprechenden Menschen, bei denen ich weder den einen, noch den anderen verstehe und zwischendurch hatte ich das Gefühl, dass das wichtigste an diesem Abend ist, dass die Redezeit gleich ist.

Ich hoffe für uns alle auf eine vernünftige Regierung, in der Leistung, Kreativität und Fleiß zählt. Denn das macht Deutschland wirklich stark.

Ihre Yvonne de Bark

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